rebequa® im Interview:


„Es ist nie zu spät, jung zu werden.“

Interview mit Demographie-Berater Dr. Hermann Wirtz

Dr. Hermann Wirtz ist Sozialwissenschaftler und Gymnasiallehrer und war nach seiner wissenschaftlichen Tätigkeit an der Uni Göttigen sechzehn Jahre als Bildungs- und Öffentlichkeitsreferent tätig. 1999 machte er sich als Kommunikationstrainer und Coach selbstständig, seit 2001 arbeitet er zusätzlich als Unternehmensberater. 2006 hat er die Weiterbildung als Demographie-Berater aufgesetzt. healthpro sprach mit ihm über sein Beratungsangebot.

healthpro: Herr Wirtz, was hat Sie dazu bewogen, an einer Fortbildung zum Demographie-Berater für KMU teilzunehmen?

„Es ist nie zu spät, jung zu werden.“ - Dieses leicht abgewandelte Leitmotto nach Pablo Picasso habe ich mir für meine Tätigkeit gewählt. Obwohl ich mittlerweile auch schon seit fünf Jahren zur Generation 50Plus gehöre, gehe ich immer davon aus, dass man die Welt stets noch ein Stückchen neu entdecken kann. Daher habe ich mich gefreut, dass dieser Gedanke eben auch im Beratungsansatz des rebequa-Programms unterstützt und gefördert wird, und zwar nicht nur im Sinne eines Bekenntnisses. Dass Ältere was können, diese Meinung teilen ja die meisten. Es muss aber auch umgesetzt werden, und dies macht ja ein Demographie-Berater, wenn er in die Unternehmen geht.

Wie würden Sie denn einem kleinen oder mittelständischen Unternehmer erklären, was Demographie-Beratung ist und was sie leistet?

Die Veränderung in der Bevölkerungsstruktur ist einer der Aspekte, die für die Existenz und die Zukunft eines Unternehmens ausschlaggebend sind. Andere denkbare Faktoren sind z.B. der gesteigerte Wettbewerb, die Digitalisierung, oder die Entwicklung der Energiepreise. Daher ist es auch nicht ganz leicht, genau zu sagen, welches Produktportfolio für ein kleines Handwerksunternehmen sinnvoll ist - manchmal wird Überleben eben zu einer Kunst. Bei der Beratung selbst würde ich einsteigen mit der Frage „Was können Sie tun, um nicht in die absehbare Altersfalle zu geraten?“ Der Unternehmer kann sich vorbereiten, das ist seine Überlebensschance.

Wie könnte denn die Vorbereitung beispielsweise für ein Transportunternehmen oder ein Bauunternemen in Ihrem Beratungsgebiet, der Märkischen Region aussehen?

Der Bereich Bau und Architektur ist ein gutes Beispiel. Nehmen wir etwa ein kleines Bauunternehmen, das bisher vom Neubau von Einfamilienhäusern gut existieren konnte, das aber auch längst gemerkt hat, dass der Bedarf in ein paar Jahren nicht mehr so gegeben sein wird. Nun fragt es sich: „Was können wir in fünf Jahren noch anbieten?“ Mein Beratungsansatz wäre der, dass ich mich mit dem Unternehmer zusammensetze und austariere, was man anbieten kann und was sinnvoll ist, eben ein realistisches Zukunftsbild zu entwerfen. Ich würde dann ein paar Variationsmöglichkeiten aufzeigen, z.B. innerhalb der Wertschöpfungskette von der Akquisition und Kundenberatung über Plan, Entwicklung, Koordination der Bauaufsicht bis zur Dokumentation. Es könnte beispielsweise sinnvoll sein, nicht mehr den Full Service mit bescheidenem Personal zu leisten, sondern sich auf bestimmte Bereiche zu spezialisieren.

Und welche könnten das sein?

Man könnte in einem Netzwerk mit anderen Partnern sich auf eine bestimmte Fertigungsstufe konzentrieren, oder sich auf gewisse Objekttypen beschränken, wie Stadien oder Messegelände. Ein Zukunftstrend unserer Region ist auch die Sanierung und Renovierung im Bestand. Interessant kann auch die Konzentration auf bestimmte Qualitäten sein, wie Einliegerwohnungen für Singles oder der alten- oder behindertengerechte Bau. Das sind Grundentscheidungen, die man mit Hinblick auf die Veränderung der Altersstruktur schon fundiert treffen könnte.

Damit beschreiben Sie mögliche Märkte 50Plus. Und was würden Sie dem Unternehmer bezüglich seiner Personalentwicklung sagen?

Das kommt auf die Größe des Unternehmens an. Wenn der Betrieb nur aus zwei Häuptlingen und zwei Indianern besteht, kann ich von einer Altersstrukturanalyse der herkömmlichen Form absehen. Aber es ist natürlich wichtig, auf die Nachfolgeproblematik aufmerksam zu machen. Gegebenenfalls sollte damit begonnen werden, das Feld für einen Nachfolger zu bereiten. Und es sollte frühzeitig über Formen des Wissenstransfers gesprochen werden.

Sie als Kommunikationsspezialist: Für viele Unternehmer ist der demographische Wandel kein Thema, da sie stark im Tagesgeschäft verhaftet sind. Wie kommuniziert man trotzdem die Wichtigkeit?

Also ich glaube, dass es nicht glücklich ist, das Thema immer so hoch zu hängen und isoliert zu betrachten. Das stößt häufig auf verständliche Abwehr. Was ich mir gut vorstellen könnte, wären Kleinformen der Demonstration ohne große Vorträge. Als Einstieg wäre für mich eine mobile Kleinausstellung denkbar, die man für kleinere Treffen oder für Einzelunternehmen verwendet.

Was stellt man da aus?

Zum Beispiel eine Plakatserie. Die Thematik wäre dann zwar sehr stark eingedampft, aber auch auf den ersten Blick plastisch. Denkbar sind auch Good-Practice-Beispiele, in denen die Maßnahmen bereits funktionieren.

Was würden Sie denn als Ihren thematischen Schwerpunkt sehen?

Meine Schwerpunkte sind Führung und Zusammenarbeit, Unternehmenskultur und der große Bereich der Ausbildung, Fortbildung und der internen Weitergabe von Wissen. Ein kleines Beispiel noch aus meiner Praxis als Coach, und zwar zur Vorbildfunktion von Führungskräften. Als Führungskraft muss man nicht Vorbild sein. Man ist es einfach! Die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter ist automatisch auf Führungskräfte gelenkt. Ältere Führungskräfte, die vorleben, dass es kein Verlust von Autorität bedeutet, wenn sie nicht allwissend erscheinen, sind ein Vorbild für andere ältere Mitarbeiter. So prägt man Unternehmenskultur.

Was meinen Sie: Kompetenzen, Motivationen, Potenziale - haben die etwas mit dem Alter zu tun, oder mit der Person selbst?

Beides. Es hängt viel vom Individuum ab, ob es lernwillig, lernbegierig und auch lernfähig ist. Im Alter setzt man das Erlernte einfach in Erfahrung um und wendet es an. Und wenn ich dafür offen bin, werde ich natürlich mit zunehmendem Alter anders arbeiten, anders urteilen, und auch besser und effizienter arbeiten. Aber es hat auch ganz klar etwas mit Persönlichkeitsmerkmalen zu tun.

Gibt es vielleicht noch thematische Schwerpunkte Ihres Demo-Fit-Angebots, die wir bisher noch nicht angesprochen haben?

Ich bin durch meine berufliche Prägung sehr sensibel, was das Zuhören betrifft. Ich kann mich sehr gut in Kommunikationsstrukturen hineindenken und finde schnell heraus, in welchen Formen oder Mustern Leute denken. Sicherlich werde ich an der einen oder anderen Stelle Situationen finden, in denen ich versuche, das offen zu legen und neue Kommunikationsmöglichkeiten dann auch anzustoßen. Thematisch wäre ein weiterer Beratungs-Schwerpunkt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ich fände es mal spannend herauszufinden, welches Unternehmen schon fortschrittlich genug ist, um auch einen jungen Familienvater zu einer Erziehungszeit zu ermutigen!

Wir wollen noch einmal kurz auf Ihren Regionenbezug eingehen. Wenn Sie Beratungsdienstleistungen anbieten, wem bieten Sie diese vor allen Dingen an, und haben Sie regionale Schwerpunkte?

Den meisten Branchenbezug habe ich zu Fertigungsunternehmen, vorwiegend in Nordrhein-Westfalen. Meist sind es mittelständische Unternehmen, häufig auch in Familienbesitz, bei denen man vielfach eine ganz eigene Firmenkultur vorfindet. Ich habe aber auch Erfahrungen mit IT-Dienstleistern in NRW. Die Region um Aachen ist mir natürlich besonders vertraut.

Herr Wirtz, wir danken Ihnen für das Gespräch!


(Zeichen mit Leerzeichen: 5.704)

Das Regionale Beratungs- und Qualifizierungsprogramm rebequa wurde von der Düsseldorfer healthpro GmbH initiiert und gemeinsam mit dem Institut für Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen durchgeführt. Ziel ist es, die demographische Situation für KMU abzubilden und Personalstrategien in regionalen Betrieben anzustoßen. Im Rahmen des Programms wurden insgesamt 102 Demographie-Berater qualifiziert, 82 Unternehmen haben die Demo-Fit-Beratung (Stand 14.12.06) nachgefragt und 11 Regionaltreffen wurden in ganz NRW veranstaltet. rebequa wurde vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen (MAGS) und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert. 


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